Armut macht krank. Mikrofinanz als Lösung?

Ich erspare den geneigten Lesern hier eine längere Abhandlung über den Stand der wissenschaftlichen Diskussion zum Thema „Armut macht krank“. Dazu gibt es reichlich Literatur und an der Gültigkeit dieser Behauptung zweifelt auch kaum jemand. Über die genauen Ursachen und vor allem die Möglichkeiten, das zu ändern herrscht allerdings leider nicht so große Einigkeit. Zur Untermauerung nur ein Fakt: Die Bezieher der höchsten Pensionen in Deutschland genießen diese ab einem Alter von 65 Jahren im Schnitt 20 Jahre lang. Die Bezieher der niedrigsten Pensionen hingegen nur 15 Jahre lang. Sie leben also um 5 Jahre kürzer als ihre vermögenderen Mitbürger. Wenn sich Armut schon in Deutschland derartig auswirkt, wird dieser Befund umso mehr für die ärmeren Länder dieser Erde gelten.
Nur was tun, um das zu ändern? Ich gebe zu, ich bin ein großer Anhänger der Hilfe zur Selbsthilfe, oder wie es Konfuzius vor etwa 2.500 Jahren formuliert hat: „Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.“ Aber kann man das auf Geldanlagen umlegen?
Ja, man kann. Eine Antwort heißt, wie Sie sich vielleicht schon nach der Überschrift gedacht haben, Unterstützung durch Mikrokredite. Den Begriff kennt man, seit Mohammad Yunus und die von ihm gegründete Grameen Bank im Jahr 2006 den Friedensnobelpreis erhalten haben. Was Mikrofinanz wirklich ist erkläre ich an dieser Stelle etwas simplifizierend: In Ländern, in denen kein ausdifferenziertes Finanzsystem existiert, so wie wir es in der EU, oder auch aus Ländern wie den USA oder Japan kennen, ist der Zugang zu Krediten nur stark eingeschränkt möglich. Etwa drei Milliarden Menschen haben überhaupt keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen, nicht einmal zu einem Bankkonto. Oft geht es lediglich um 1.000 oder 2.000 US-Dollar, die man beispielsweise für eine neue Maschine oder ein paar Kühe braucht, für die man allerdings keinerlei Sicherheit stellen kann. Versuchen Sie das mal bei uns, sie werden als Kleinunternehmer wohl ebenso scheitern wie ein Bauer in Bangladesch.
Hier springen sogenannte Mikrofinanzinstitute (MFI) in die Bresche. Sie vergeben Klein- und Kleinstkredite, ohne Besicherung und meist mehrheitlich an Frauen. Der Aufwand pro Kreditnehmer ist dementsprechend groß. Trotz hoher Zinsen von bis zu 25% werden diese Kredite tatsächlich in ein bis zwei Jahren getilgt – die Ausfallsquoten sind niedriger als bei Firmenkrediten in Österreich. Weltweit existieren über 10.000 solcher Mini-Banken, daneben gibt es noch mehrere Millionen Selbsthilfe- oder Dorfhilfegruppen, die eine wichtige Rolle in dem Kreditvergabeprozeß spielen.
Genau an dieser Stelle kommen Sie als potentieller Geldgeber ins Spiel: Sie können Mikrokreditinstituten ihrerseits einen Kredit gewähren, entweder über Entwicklungshilfevereine oder über Investmentfonds. Die Institute reichen das Geld dann weiter und helfen auf diese Art den Kreditnehmern, sich eine eigene Existenz aufzubauen. Bei Ihnen als Finanzier kommen im Schnitt vielleicht 2 – 3% Ertrag an, mehr wäre unseriös. Der Einstieg ist problemlos schon mit kleinen Beträgen von zum Beispiel 2.500€ möglich. Dieser Betrag entspricht dann bereits einem oder zwei Darlehen an einen einzelnen Kreditnehmer oder eine Kreditnehmerin.
Ein Trugschluss aus der ganzen Sache ist leider, dass jedes MFI gut gegen Armut hilft. In dem Segment finden sich allerdings ebenso schon fast rein caritative Organisationen, wie auch stark gewinngetriebene „Mikrokredithaie“. Die Unterschiede in der Qualität sind oft von Land zu Land enorm. Deshalb muss man bei der Auswahl des Investments auf das Fachwissen von Firmen oder Organisationen zurückgreifen, die die soziale Komponente der MFI beurteilen können. Die guten Investmentfonds haben dieses Know-how, aber auch ebenso zum Beispiel die niederländische Oikocredit-Genossenschaft.
Ergänzt werden Mikrokredite bei verantwortungsvollen Instituten um die Bereiche Microsavings und Microinsurance. Solche Erweiterungen bieten für die Kreditnehmer die Möglichkeit, sich zusätzlich einen Notgroschen anzusparen und bestimmte elementare Risiken zu versichern. Die besten MFIs liefern noch unternehmerisches Know how mit dazu.
Fast am Ende meiner Ausführungen angekommen, möchte ich noch ein paar Zahlen von Vision Microfinance, einem österreichischen Fondsanbieter für institutionelle Investoren, anführen. Die Fonds der Gesellschaft haben ein Volumen von etwa 250 Millionen Euro. Daraus vergeben sie Kredite an etwa 285.000 Menschen und gemeinsam mit deren Familien erreichen sie dadurch 1,4 Millionen Menschen in etwa 35 Schwellenländern, vornehmlich in Südamerika und Asien. Die Kreditnehmer sind zu über 50% weiblich und leben ebenfalls leicht mehrheitlich am Land, nicht in den Städten. Im Durchschnitt borgt sich ein Mikrounternehmer etwa 2.000 US-Dollar aus. Über das Portfolio haften pro Kreditnehmer aktuell knapp 900 Euro aus. Sie sehen also, wenn Sie einen Teil – und mehr sollten Sie auch tatsächlich nicht investieren – ihres Finanzvermögens hier veranlagen, vergeben Sie indirekt schnell ein paar Darlehen. Verdient hätten Sie auch ein wenig daran, Oikocredit zahlt 2% pro Jahr. Nur zum Vergleich: ein guter Dachfonds hat über die letzten fünf Jahre 3,16% nach Kosten erwirtschaftet.
Zum Abschluss darf ich ihnen einen Link auf ein schönes Video mit auf den Weg geben. Hier erklärt ein Fondsanbieter ganz generell und sehr anschaulich die Wirkungsweise von Mikrokrediten. Aber Achtung: Die Fonds dieses Anbieters sind nicht mehr für Privatkunden erhältlich. Wenn Sie das Thema dennoch interessiert, wenden Sie sich an ihren Finanzberater – sofern sich dieser mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt wird er Ihnen weiterhelfen können.