Kinderarbeit: Ein Thema, dass Anleger betrifft? Wagen wir einen Blick hinter die Kulissen.

Bei kaum einem Thema sind sich Umfragen zufolge Investoren so einig wie bei diesem – mit Kinderarbeit will keiner was zu tun haben. Das ist einfach ein no go. Um zu verstehen, warum es Kinderarbeit dennoch gibt und um zu erkennen, ob man selbst auch etwas tun kann, sie zu vermeiden, lohnt sich ein genauerer Blick auf dieses Problem.
Was ist Kinderarbeit überhaupt?
Die Kinderhilfsorganisation der UNO, die UNICEF, definiert Kinderarbeit so: Es handelt sich um alle Formen von Arbeit, für die Kinder zu jung sind, weil sie entweder gefährlich oder ausbeuterisch sind, weil sie die körperliche oder seelische Entwicklung schädigen oder die Kinder vom Schulbesuch abhalten. Zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zählen die Vereinten Nationen Sklaverei und sklavenähnliche Abhängigkeiten, Zwangsarbeit einschließlich des Einsatzes von Kindersoldaten, Kinderprostitution und Kinderpornographie, kriminelle Tätigkeiten sowie den Missbrauch von Kindern als Drogenkuriere sowie andere Arbeitsformen, die die Sicherheit und Gesundheit der Kinder gefährden können.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass nicht jede Form von Kinderarbeit per se als verwerflich definiert ist. So kann beispielsweise Mithilfe bei der Ernte oder im Betrieb, wie es auch in Österreich vorkommt, oder Nebenjobs, die der Familie das Überleben sichern, durchaus akzeptiert werden, wenn allerdings dadurch die Ausbildung der Kinder nicht beeinträchtigt wird und die Arbeitsbedingungen altersgerecht sind, mit einem Wort, wenn sich die Belastung kindgerecht in Grenzen hält.
Leider gibt es sowohl Staaten als auch Unternehmen, die diese ausbeuterische Kinderarbeit fördern oder zumindest nicht unterbinden – und in diese Staaten und Unternehmen sind viele Anleger unbewusst über Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder Aktien investiert. Direkt darauf angesprochen wollen eigentlich alle meine Gesprächspartner diese Positionen nicht in ihrem Depot oder ihrer Altersvorsorge haben.
Von wie vielen betroffenen Kindern sprechen wir überhaupt?
Weltweit ist seit dem Jahr 2000 die Zahl der Kinderarbeiter um ein Drittel, von 246 Millionen auf 168 Millionen, gesunken.  Das ist erfreulich, aber es sind immer noch um genau 168 Millionen Kinder zu viel betroffen. Besonders deutlich gesunken ist die Zahl der Kinderarbeiter in der Region Asien und Pazifik, aber auch im südlichen Afrika und Lateinamerika nimmt die Kinderarbeit ab. In absoluten Zahlen allerdings leben mit 78 Millionen dennoch die meisten Kinderarbeiter in der Region Asien und Pazifik. Außerdem erleben wir leider eine gewisse Trendumkehr in den von Flüchtlingsbewegungen erfassten Gebieten wie aktuell vor allem in und um Syrien. In dieser Region steigt die Zahl der ausgebeuteten Kinder wieder stark an.
Die unangenehme Wahrheit in der Finanzindustrie
Auch wenn es keiner gerne hört und noch weniger Menschen es aussprechen – der klassischen Finanzindustrie und ihren Produkten ist dieses Thema vollkommen egal. Nicht etwa, weil da lauter böse Menschen arbeiten würden, sondern weil es mühsam und komplex ist, sich mit diesem Thema differenziert auseinander zu setzen und weil es zusätzlich noch Ressourcen bindet. Kinderarbeit ist in den Ländern mit niedrigen Einkommen einfach Realität, Punkt und aus. So einfach kann man es sich machen.
Sie können Sie daher leider sicher sein, in vielen ihrer klassischen Investments – sei es direkt über Fonds oder indirekt über die Mittelverwendung ihres Banksparbuchs oder ihrer Lebensversicherung – steckt ausbeuterische Kinderarbeit. Sei es, dass die Kinder in Goldminen in Burkina Faso, als Textilarbeiter in Bangladesch, auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste oder auf Farmen in Lateinamerika arbeiten. Sie kosten wenig, und angeblich macht man deswegen halt auch mehr Profit.
Was aber, wenn Sie das nicht wollen?
Sollten sie um ihre Performance fürchten, kann ich sie gleich am Anfang beruhigen: es gibt kaum Hinweise darauf, dass eine moderate nachhaltige und damit kinderarbeitsfreie Ausrichtung ihrer Geldanlagen die Erträge schmälert, eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Vom ethischen Standpunkt her sind wir uns in der Ablehnung von Kinderarbeit – siehe oben – aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin einig.
Somit ist es eigentlich einfach – ziehen Sie ihr Geld dort ab, wo es wahrscheinlich (auch) in Kinderarbeit investiert wird und stecken Sie es in Anlagen, bei denen das nicht der Fall ist. Fragen Sie ihre Anlageberater, Fondsmanager, ihre Pensionskassen und Sparbuchverwalter, ob diese wissen, welches Produkt auch mit Kinderarbeit Gewinne macht und welches nicht. Oder ob diese es mangels Problembewusstsein überhaupt wissen wollen.
Wie finde ich nun konkret passende Produkte?
Anleger, egal ob über Fonds oder Versicherungslösungen, können Anlagevarianten wählen, die über bestimmte Ausschlusskriterien sicherstellen, dass keine der im Portfolio gehaltenen Positionen – also Staaten oder Unternehmen – ausbeuterische Kinderarbeit in oben beschriebenen Sinn zulassen. In einem Nachhaltigkeitsbericht bedeutet das ein simples „Ja“ beim Punkt „Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit“. Das ist zwar nur ein Punkt unter vielen, aber es ist ein Punkt, der tatsächlich dafürsteht, dass sich etwas ändert.
Zusätzlich zum Ausschluss von Staaten und Unternehmen gibt es auch Investmentfonds, die darüber hinaus besonders in Unternehmen und Staaten investieren, die einen positiven Beitrag zu Vermeidung von Missständen leisten, also beispielsweise Mindestlöhne vorschreiben oder bezahlen, die ausreichend hoch sind, so dass die Kinder in die Schule statt in die Arbeit gehen können, da ihre Eltern ohne deren Beitrag genug Einkommen haben. Auch hier lohnt sich ein genauer Blick auf die Kriterien, nach denen ihr Geld angelegt wird. Ich fürchte nur, in den meisten Produkten finden sich einfach keine. Wenn ihnen das Thema dennoch am Herzen liegt, sollten sie beginnen, etwas zu verändern. Wir müssen noch 168 Millionen Kindern helfen – kaum irgendwo geht das so leicht wie bei ihren Geldanlagen. Reden Sie mit den Menschen, die auf ihr Geld schauen, über dieses Thema.