Was ist eigentlich Divestment und warum ist es ein Teil der Rettung der Welt?

Und wie können Sie ihr Depot
vor negativen Folgen bewahren?

Gut, das klingt jetzt sehr reißerisch, aber ich habe auch eine gute Erklärung dafür: Das Thema ist so bedeutend, dass es einfach enorm wichtig, dass Sie weiterlesen und deshalb entschuldigen Sie bitte den Griff in die Boulevardpressentrickkiste.

Status quo

Ich fange bei der Ausgangssituation an und diese ist durchaus trist. So hat die Weltorganisation für Meteorologie gerade festgestellt, dass wir eine noch nie dagewesene CO2-Konzentration in der Atmosphäre haben. Die Ergebnisse sind klar und damit bedrohlich: „Wir müssen den Trend stoppen, indem wir den Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen zurückfahren. Uns läuft die Zeit davon.“ Bis 2050 müsste der netto CO2-Ausstoss weltweit auf Null sinken, um eine Klimakatastrohpe zu vermeiden! Selbst eine aktuelle Studie von 13 US-Ministerien kommt zum Schluss, dass ohne rasches und entschlossenes Gegensteuern die Kosten in den nächsten Jahrzehnten auf mehrere 100 Milliarden Dollar steigen werden. Aber das wissen Sie wohl schon längst. (Und wenn nicht fühle ich mich geehrt, dass Donald Trump offensichtlich meinen Blog liest). So, aber wie können wir dieses Problem lösen?

Ursachen

Leider ist der Mensch psychologisch nicht auf langfristiges Denken ausgelegt. Daher werden alle Versuche, hier über Vernunft zu einer Lösung zu kommen, nicht ausreichen um den Kollaps zu verhindern. Es wird immer kurzfristige Gründe geben (Wahlen, Krisen, schlechte Präsidenten etc.), warum es zu langsam in die richtige Richtung geht. Zudem steigt – an sich ja erfreulich – die weltweite Mittelschicht stark an, aber damit einher gehen auch neue und somit vermehrte Emissionen von Treibhausgasen. Deswegen komme ich zu dem Schluss – und das mag viele ökologisch denkende Menschen jetzt vielleicht überraschen – dass es eines Zusammenspiels von Markt und Technik bedarf, um die Welt zu retten.

Lösung

Die Lösung geht also über Forschung und Wirtschaft. Einerseits werden wir technische Lösungen brauchen, die wir heute noch nicht haben. Viele Ingenieure, die ich kenne, sind da allerdings recht zuversichtlich, dass es aus dieser Ecke noch ein paar positive Überraschungen geben wird, und die Empirie gibt ihnen bis hierhin auch meistens recht. Ich bin allerdings kein Techniker, sondern Finanzberater und daher gehe ich auch auf den zweiten Teil der Rettung näher ein und behaupte an dieser Stelle, dass der Markt uns retten wird (müssen).

Die Erklärung hierfür ist einfach. Billigere Lösungen setzen sich in einem halbwegs funktionierenden Markt erstaunlich schnell durch. Denken Sie beispielsweise an Amazon, Uber oder AirBnb in letzter Zeit. Oder den LKW-Verkehr. Und unser Problem ist ja, dass CO2 emittierende Energiequellen seit langem auch gleichzeitig die billigsten Energiequellen sind, die wir haben, um den wachsenden Energiehunger der Welt zu stillen. Aber darin kann jetzt auch die Lösung gesucht werden: CO2-freie Energiequellen müssen klar günstiger als die bisherigen Energieträger werden, um diese zu verdrängen. Wenn sie „nur“ gleich teuer werden sind die Beharrungswiderstände immer noch zu hoch, sodass der Wandel nicht schnell genug gehen kann. Um einen Umschwung zu schaffen, gibt es zwei Stellschrauben. Einerseits können erneuerbare Energien billiger werden, andererseits Konventionelle teurer.

Stellschraube 1 funktioniert gut. Windkraft ist die billigste Form, Strom zu erzeugen, Photovoltaik absolut konkurrenzfähig und mit Pumpspeicherkraftwerken kann die Wasserkraftbranche in der Spitzenabdeckung gutes Geld verdienen. Das spiegelt auch der Markt: während die lange an konventioneller Energie festhaltenden deutschen Konzerne wie EON oder RWE schwer zu kämpfen haben, hat sich der spanische Konzern Iberdrola, der früh auf erneuerbare Produktion setzte, mittlerweile zum drittgrößten Energiekonzern Europas gemausert.

Stellschraube 2 ist da schon diffiziler. Zwar steigen die Produktionskosten von Erdöl und Erdgas, da die leicht und billig zu fördernden Lagerstätten langsam zur Neige gehen und immer teurere Lagerstätten erschlossen werden müssen, sei es in der Tiefsee, in Regionen mit schlechterer Rohölqualität oder hoher politischer Instabilität. Aber das alleine reicht als Regulator nicht aus. Die Lösung sind Abgaben auf die Freisetzung von CO2, die die konventionelle Energie derart teuer macht, dass sich die Erneuerbaren durchsetzen können. Nachdem die EU heuer die Zahl der Zertifikate reduziert hat ist der Preis um bis zu 200% gestiegen und das war ein sehr wichtiger Schritt, der nun weitere Schritte nach sich ziehen wird.

Divestment

Und damit komme ich zu meinem eigentlichen Blogthema: Divestment, englisch fossil fuel divestment. Kurz erklärt ist das eine seit dem Jahr 2012 an Fahrt gewinnende Bewegung, die darauf abzielt, dass Investoren ihr Geld aus Investments in Firmen aus dem Bereich Kohle, Mineralöl oder Erdgas abziehen und idealerweise statt dessen in erneuerbare Energieerzeugung stecken. Eine konkrete Ausprägung ist beispielsweise im neuen Kriterium für das Nachhaltigkeits-Siegel des FNG enthalten: Hier werden seit heuer unter anderem alle Unternehmen ausgeschlossen, die in den Bereichen Fracking und Ölsande tätig sind oder ihre Umsätze mit Kohle (sowohl Bergbau als auch bedeutsame Verstromung) machen.

Divestment ist mittlerweile ein anerkannter Teil einer Risikoreduktions-Strategie bei großen und international bekannten Fonds und anderen Anlegern. Es handelt sich nicht um einen politischen Ansatz, sondern um eine durch wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit geprägte Strategie. Es gibt auch schon prominente Vorreiter, die diese Strategie bereits umsetzen, wie der norwegische Staatsfonds (800 Mrd. Euro schwer), die drei größten Versicherer Europas (Allianz, Axa und ganz neu auch die Generali, in Summe mehrere 1.000 Mrd. Euro an veranlagten Geldern), die Rockefeller-Foundation (die 50 Mrd. Euro abzog) oder der US-Bundesstaat Kalifornien. Die katholische Kirche prüft derartiges Vorgehen gerade für ein Portfolio von geschätzt etwa 5 Billionen Euro. 2018 werden wohl über 100 Mrd. Euro aus fossilen Beteiligungen abgezogen werden, mehr als von 2012 bis 2017 zusammen. Man sieht, das Thema nimmt Fahrt auf und entwickelt sich langsam, aber sicher zu einem Faktor, der die Finanzierung und Versicherung nicht CO2 sparender Unternehmen erschwert.

Carbon Bubble – die Gefahr für ihr Portfolio

In der Fachwelt beschreibt der Begriff „Carbon Bubble“ die Gefahr, dass Unternehmen durch steigende CO2-Preise und ähnliche Entwicklungen an Wert verlieren können, da sie einerseits schon in der Bilanz bewerte Vermögenswerte anschreiben müssen („stranded assets“) und anderseits in ihrem Geschäftsmodell an sich bedroht sind, was sich auch negativ auf Gewinne und damit Kurse dieser Unternehmen auswirken wird. Und angesichts des Zieles, bis 2050 keine CO2 Emissionen mehr zuzulassen, ist dieses Szenario nicht von der Hand zu weisen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in ihren persönlichen Investments – sei es direkt im Portfolio oder indirekt über Lebensversicherungen oder Pensionskassen – solche Risikokandidaten finden, ist hoch. Nur 9 der 100 größten österreichischen Investmentfonds investieren weder in Kohle noch in Erdöl. Für passive oder sehr breit aufgestellte Investoren wird das Risiko sogar zur Gewissheit – unter den Top 30 Unternehmen des MSCI World Index sind fünf Ölkonzerne sowie, hier nur nebenbei erwähnt, ein paar Waffenhersteller.

Fazit

Neben der moralischen Verpflichtung, unseren Kindern die Welt in einem annehmbaren Zustand zu hinterlassen (und über die können wir auch gerne diskutieren), gibt es mit den Verpflichtungen, die zumindest indirekt aus dem Pariser Klimaabkommen entstanden sind, für viele Akteure am Markt auch rechtliche Gründe im Bereich Divestment aktiv zu werden. Letztendlich haben wir noch einen dritten Aspekt, nämlich das nicht ganz von der Hand zu weisende Szenario, dass so zwar in vielen Portfolios eine Zeitbombe schlummert, die sie aber völlig gefahrlos entschärfen können.

Es ist egal, welcher dieser drei Punkte ihr Beweggrund ist oder (hoffentlich bald) wird. Es ist ebenso egal, ob Sie sich selbst darum kümmern oder es Experten für sie tun lassen. Meine dringende Empfehlung lautet lediglich:  handeln Sie – und handeln sie jetzt! Unseren Kindern und Enkeln, der Umwelt und nicht zuletzt ihrem Geld zuliebe.