
Man muss beileibe kein Prophet sein, um ein Ende des fossilen Zeitalters zu verkünden. Die Menge an fossilem Erdöl und Erdgas ist endlich, wenngleich auch mehr davon in der Erde schlummerte als es uns der Club of Rome 1972 prophezeite. Durch die Kunst der Ingenieure wurden die Such- und Fördermethoden immer besser, wodurch wir immer mehr Öl fördern konnten, auch wenn die Kosten dafür stiegen und auch ein immer größeres Risiko dafür eingegangen werden musste – die Katastrophe der Deeptwater Horizon sei als Beispiel genannt. Aber, wie man es dreht und wendet, irgendwann hätten wir den letzten Tropfen gefördert und verbrannt, auch wenn Klimawandel kein großes Thema geworden wäre.
Durch die mittlerweile dramatischen Veränderungen des Klimas wird das Ende der Förderung fossiler Brennstoffe jetzt aber wohl früher erfolgen. Der Pfad zu einer dekarbonisierten Weltwirtschaft ist erkennbar, die internationalen Abkommen sind geschlossen, viele Finanziers und Unternehmen ändern gerade ihren eingeschlagenen Kurs. Manche schnell und wendig, andere wie schwerfällige Tanker, wenn das Wortspiel erlaubt ist. Doch was macht das mit der Ölindustrie und was bedeutet das für den Kampf gegen den Klimawandel?
Zwei Szenarien
Das einfache Szenario wäre eine Fortschreibung des langsamen Niedergangs einer Branche. Ein Beispiel: Exxon Mobil, 2011 noch das umsatzstärkste börsennotierte Unternehmen der Welt, ist 2020 aus dem Dow Jones geflogen. Es wurde in dem Index, der die 30 größten Unternehmen der USA abbildet, durch die kalifornische Softwareschmiede Salesforce ersetzt. Andere Konzerne, wie beispielsweise der ehemalige dänische Öl- und Gaskonzern, der jetzt unter Ørsted firmiert, haben den Umbau zu einer CO2-freien Energieerzeugung schon beinahe abgeschlossen. Bei wieder anderen, wie auch der österreichische OMV, erlangt man den Eindruck, sie wüßten gerade nicht so recht, was sie tun sollen. Das rasch wachsende Angebot an erneurbarer Energie macht Erdöl leichter substituierbar, die Nachfrage würde kontinuierlich sinken, Ende gut, alles gut. Nur so, meine ich, wird es nicht kommen.
Im Frühjahr 2020 gehört die Ölindustrie zu den stärksten Verlierern der Covid-Krise, weil die Nachfrage massiv einbrach. Auch wenn die Erholung 2021 bis jetzt kräftig war, von den alten Erträgen und Börsenkursen ist man immer noch weit entfernt. Jetzt allerdings wird es zu einem sogenannten Schweinezylus kommen, prophezeien unter anderen das Fondshaus DWS. Das heißt, mangels Nachfrage wird kaum in eine Ausweitung der Produktion investiert, was bei steigender Nachfrage – ja, die Covid-Krise und die Lockdowns werden auch wieder mal enden – zu höheren Preisen führen wird. Normalerweise werden die dann sprudelnden Gewinne in den Ausbau der Kapazitäten gesteckt, wodurch das Angebot steigt und sobald die Nachfrage dann einmal schwächelt sinken die Preise wieder und das Spiel geht von vorne los. Doch diesmal sprechen zwei Gründe gegen diesen Verlauf.
Einerseits ist die Bereitschaft zu großen Investitionen in den Ölsektor aktuell recht niedrig, die Vorgaben zur Senkung des CO2 Ausstosses sind ja von der EU über die USA bis nach China strikt und eindeutig. Das Risiko, dass sich diese Investitionen nicht mehr lohnen ist groß. Andererseits brauchen die Unternehmen ebenso wie vom Öl abhängige Staaten wie Russland oder Saudi Arabien dringend Geld, um ihr Geschäftsmodell umzubauen bzw. ihre Volkswirtschaften für die Zeit nach dem Ölboom fit zu machen. Hier sind einige wesentliche Akteure sehr säumig. Auf diese Art bindet der Umbau weitere Mittel, die nicht ins eigentliche Geschäftsmodell fließen können. Damit wird sich das Angebot aber weiter verknappen, was zu länger und stärker steigenden Öl- und Gaspreisen führen wird.
Fazit
Paradoxerweise wird dieser Effekt dazu führen, dass sich Investitionen in alternative Energien noch schneller lohnen. Die Transformation weg von Öl und Gas wird durch hohe Ölpreise beschleunigt. Das ist aus Sicht des Klimas eine sehr erfreuliche Entwicklung, aber was bedeutet das für Investoren? Für Anleger in den fossilen Sektor ist dieses Szenario nicht so gut, wie es auf den ersten Blick aussieht. Die möglichen Gewinne werden nicht ausgeschüttet, sondern in den Umbau der Unternehmen gesteckt werden, damit diese am Markt bestehen bleiben können. Damit versprechen Ölaktien maximal Erhalt des Vermögens, das sonst zu (ver-)schwinden droht. Hohe Ölpreise bedeuten aber gleichzeitig attraktivere Bedingungen für die gesamte Branche der erneuerbaren Energien, allen voran natürlich Windkraft und Photovoltaikenergie. Gemeinsam mit dem Schub der Covid-Hilfspakete, die auf beiden Seiten des Atlantiks nur mehr in hunderten Milliarden Euro und Dollar gemessen werden, ergibt dieser Mix gute Aussichten für diese Branche.
Wundern Sie sich also nicht über hohe Ölpreise. Die sind ja durchaus gut für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens.